„Schwarz-weiße Fahnen tragen wir mit Stolz und Fröhlichkeit. / In Nierst am Rhein da wohnen wir, in der freien Herrlichkeit. / Das schöne Fußballspiel, das kennt bei uns schon Groß
und Klein. (...) Den Sieg holen wir gern heraus, doch wir können auch verlier´n / dann ziehen wir vergnügt nach Haus´, um nochmal zu trainier´n.“
Bis in die 50er Jahre sangen die Kicker des FC Adler Nierst die Hymne vor dem Anstoß. Der 87-Jährige Heinrich „dä Henn“ Brockerhoff vermag sie noch mit Begeisterung zu schmettern. Und
wohl niemand kann den Zuhörer besser an den rührenden Geschichten teilhaben lassen, wie der einzige Überlebende der Elf, die Nierst vor 68 Jahren zum ersten Mal als DJK Adler auf einem
Fußballfeld vertrat.
Erstes Kapitel begann 1932
Mit Genuss erzählt der ehemalige Halblinke aus dem ersten Kapitel Fußballgeschichte, das 1932 auf Initiative des Dorfschullehrers Skovonek während einer Versammlung bei Kriewisch Hennes begann -
der heutigen Gaststätte „Zum Hasen“. Und die Augen des Ehrenmitglieds strahlen, wenn er sich seiner Mitspieler erinnert: Willisch Heini, Bongartz Jüpp, Peters Willi, Vosse Düüres (Theodor
Vossen), dä Kräll (Karl Beesen), Paase Pitt (Peter Paas), Willisch Jüpp (Josef Weyers), Hahle Karl, Menze Franz und Hinze Heini. Der schnelle Stürmer habe im Kaiser-Wilhelm-Park das Tor zum
ersten Adler-Sieg überhaupt bei Rasensport Krefeld erzielt. Stolz fügt Brockerhoff Henn hinzu: „Ich habe die Vorlage gegeben.“
Auswärtsspiele nur mit Begleitschutz
Die Heimspiele wurden in der Seekkull, der 1926 stillgelegten Kiesgrube an der Stratumer Straße, ausgetragen, die nach monatelanger harter Arbeit bespielbar gemacht worden war. Mit einem Spiel
gegen Roland Strümp wurde der Platz eröffnet, auf dem Willi Beesen 1960 ein Haus mit Bäckerei errichtete. Der Mann, der am Wiesenweg aufwuchs, kann sich lebhaft an eine Zeit erinnern, als er mit
Münker Jupp, dat Hermännche (Hermann Schlungs) und dä Kräll heimlich „em Schacht“ (zwischen Hecke und Rheindamm) Fußball spielte und Bauern Knechte nur dann einstellten, wenn sie kicken konnten.
„Es war immer ´ne Menge los. Reisen zu Auswärtsspielen waren ohne Begleitschutz durch kräftige Knechte gefährlich. Die Krefelder begrüßten uns immer mit dem Spruch: ´Do komme de Buure
Ferkes.´“
Mit dieser Mannschaft nahm der FC Adler nach dem Zweiten Weltkrieg den Spielbetrieb wieder auf: Betreuer Heinrich Brockerhoff, Richard Beesen, Jakob Beesen, Mathias Schäfer, Hermann Schlungs, Jakob Paas, Betreuer Hans Kenk (oben von links), Heinrich Paas, Hermann Grothenburg, Karl Brockerhoff, Heinrich Schmitz, Theo Mostertz (Mitte von links) und Hans Roos (unten).
Auf dem Platz versehentlich eingenickt
Das erste Nachkriegsspiel 1946 beim SC Schiefbahn endete mit einer Massenschlägerei, berichtet Brockerhoff, der damals Betreuer war. „Es begann, als ich mich über rüde Attacken gegen unser Talent
Roos Hanni beschwert habe. Da haben mir Schiefbahner den Ärmel aus dem Mantel gerissen und ich habe mich bei unserm Fuhrunternehmer mit einem Maulschlüssel bewaffnet.“ Tränen kann Brockerhoff
noch immer lachen bei den Anekdoten über Bulle Matthes (Matthias Schäfer), der nach einer versehentlich eingenommenen Schlaftablette auf dem Platz eingenickt sei.Ein
unvergessenes Original war Grotenburg Hermann, der den gegnerischen Torstehern bei Ecken immer Sand ins Gesicht warf.
Spielstarke Nachkriegs-Elf
Als Helden feiern die Alten bis heute die Akteure jener Truppe, die zwischen 1948 und 1951 kein Spiel gegen den Erzrivalen ASV Lank verloren. Die Elf um Karl Brockerhoff gilt als
spielstärkste der Geschichte, wie der verstorbene langjährige Zweite Vorsitzende Woltisch Lud (Ludwig Wolters) immer betonte. Mit Achtung sprach er von den Heldentaten der Elf: Mittelläufer
Kennemann (Jakob Neuhausen), Torwart Irme Püp (Herrmann Schrills), Paas Heini, Linksaußen Buusch Heini, Torjäger Willi Grefen, Rechtsaußen Josef Essers und anderen. Unvergessen ist beispielsweise
Gewaltschütze Buusch Heini (Heinrich Schmitz), der 1950 gegen den ASV acht Minuten vor dem Ende bei 1:3-Rückstand eingewechselt wurde und die Adler mit vier Toren noch zum 5:3-Sieg führte.
Erster Nachkriegstrainer war Kirchbaum Heini, der als Lohn Schnaps, Kartoffeln und Gemüse erhielt. Ihn löste Breuch Alfred ab. Die Heimspiele wurden am Elmenpääsch im Knubb ausgetragen, einem
Acker am heutigen Oberen Feld. 1950 begannen die Arbeiten zur Errichtung des Spielfeldes am Kullenberg, das 1952 während einer Sportwoche eingeweiht wurde. 1957 musste sich der Verein wegen
Spieler-Mangel zurückziehen.
Neugründung im Jahre 1974
Johannes „Jo“ Lepper war in den 70er Jahren dann Vater der Widergeburt des Vereins, der seit 1974 Mitglied des Fußballbundes ist. Er wird heute in Nierst wie kaum jemand anders mit dem FC Adler
in Verbindung gebracht. Der 57-Jährige hatte den Verein 1974 nicht nur wieder aus der Taufe gehoben: Er war auch Trainer, Spielführer, Betreuer und Vorsitzender in einer Person. Nebenbei hatte
der Baumschulist sogar Aufgaben als Kassierer übernommen. Genau erinnert er sich noch daran, wie er in der Halbzeitpause eines Pokalspiels bei Viktoria Krefeld beispielsweise nicht mit seinen
Kameraden in die Kabine gegangen war, sondern mit der Büchse ums Spielfeld lief, um von den Besuchern Eintrittsgeld zu kassieren. „Wir Spieler hatten höllischen Durst und für eine große Feier
nicht genug Geld dabei. Mit den Einnahmen konnten wir aber nach der hohen Niederlage so richtig trinken gehen.“ Das drückt am besten den geselligen Charakter aus: Nicht der sportliche Ehrgeiz
steht im Vordergrund, gleichberechtigt ist das lustige Beisammensein nach den Partien. Deshalb trauert in Nierst auch niemand, dass während des vergangenen Vierteljahrhunderts nur zweimal der
Aufstieg von der Kreisliga C in die B gelang und die Klasse jeweils nur ein Jahr gehalten werden konnte. Nach Lepper folgten als Vorsitzende Norbert Gather, Hans Emminghaus, Toni Vesper, Hans
Peter Heister, Rolf Widl, Karl-Heinz Böcker und erneut Lepper.
aus: Anpfiff Extra - 25 Jahre FC Adler Nierst (Anno 1999)
Adler verfügt über großes Potential...
1974 - was für ein Jahr: In England stürzte die Labour Partei die Konservativen, in den USA stürzt Nixon über Watergate, in Äthiopien stürzen die Militärs Kaiser Haile Selassie, die deutsche
Fußball-Nationalmannschaft stürzt Holland im Endspiel um die Fußball-Weltmeisterschaft und in der kleinen Niederrheingemeinde Nierst stürzt sich ein fußballverrückter Baumschulist ins
Fußball-Abenteuer seines Lebens.
Geburtsstunde der Adler
Das ganze fing eigentlich ganz harmlos an. Beim Sonntagsspaziergang sah ich auf dem Nierster Bolzplatz ein wildes Dutzend junger Herren Fußball spielen. Ich erinnerte mich sofort an Zeiten zuück,
als dort noch offiziell um Punkte gekämpft wurde. Ein Anfall von Wehmut und Pioniergeist veranlassten mich sofort, jene Herren beim Schopf zu packen, um mit ihnen einen neuen Fußballverein zu
gründen. Das war zugleich die Geburtsstunde der Adler.
Wie eine Lawine rollte die Neuigkeit durchs Dorf, und bald hatten wir 80 Mitglieder. Nachdem ein Jahr später die Anmeldung beim DFB erfolgt war, absolvierten wir 1976 das erste
Meisterschaftsspiel. Die erste Saison wurde mit dem 9. Platz abgeschlossen und auch Rolf Wiedls Jugend sorgte für eine Thermik, die echte Adler zum Höhenflug brauchen. Selbst der städtische
Gegenwind beim ersten Sportplatzbegehren im Jahre 1976 konnte die eingeschlagene Flugbahn nicht beeinflussen. Erneuten Aufwind erfuhren die Adler Kicker dann mit Trainer Manni Windt, der den
ersten Aufstieg in die Kreisliga B im Jahre 1982 ermöglichte.
Wideraufstieg der „Ersten“
Heute, 25 Jahre später, können die Adler mit rund 350 Mitgliedern auf ein großes Potential verweisen. Und dank der Mitarbeiter und der Besessenheit vieler engagierter Mitglieder stehen wir kurz
vor der Erfüllung meines Herzenswunsches, dem eigenen Sportplatz - als neue sportliche Heimat der Schwarz-Weißen für das nächste Jahrtausend. Ganz dazu passen würde natürlich einem echten
Adler-Gourmet wie mir der Wiederaufstieg der 1. Herrenmannschaft und vielleicht noch ein Griff nach den Sternen bei den Damen.
In diesem Sinne bedanke ich mich bei allen Mitgliedern und Gönnern des Vereins, die uns in den letzten 25 Jahren auf unserem Weg mit gutem Rat und großer Tat zur Seite gestanden haben und wünsche
allen eine schöne und harmonische Jubiläums-Woche.
Johannes „Jo“ Lepper
aus: Anpfiff Extra - 25 Jahre FC Adler Nierst (Anno 1999)
Ein Bericht über alte Zeiten und Ehrenmitglied Heinrich Brockerhoff...
Heinrich „Henn“ Brockerhoff, geboren 1912 in Nierst: Ein Mann der ersten Stunde im FC Adler Nierst, Mitbegründer, aktiver Spieler und später Betreuer der damals frisch aus der Taufe gehobenen
„Ersten Seniorenfußballmannschaft“, kann auf eine langjährige Vereinsgeschichte mit Höhen und Tiefen zurückschauen.
Gerne erinnert sich der heute 87-Jährige passionierte Jäger und Gemüsegärtner an die Gründungszeit zurück, als er mit anderen Fußballbegeisterten die erste Nachkriegsmannschaft des Adler Nierst
formierte. Bekannte Nierster Namen, wie u.a. Bongatz Jupp, Menzen Franz, Paas Peter, aber auch „Auswärtige“ wie Mosterz Theo, oder Schiffer Hans sind noch gut im Gedächtnis. Nicht zu vergessen
der erste Trainer der „jungen Wilden“, der einarmige Kirschbaum Willi, welcher seine Jungs zu den ersten Trainingseinheiten in die Kieskull nach Strümp trieb.
Finanzielle Mittel standen den damaligen Akteuren kaum zu Verfügung. Da wurde im Notfall auch mangels Transportmöglichkeit mit Traktor und Strohhänger zum auswärtigen Spiel, beispielsweise nach
Krefeld, gefahren („Do komme de Buure ut Neesch...“).
Trikots selbst finanzieren
Die ersten Trikots streckte der Verein vor. Sie mussten von den Spielern monatlich abgestottert werden. Um die ewig leeren Geldbeutel aufzufüllen, ließ man sich etwas Besonderes einfallen, denn
„getrunken wurde damals auch schon“, verrät uns Heinrich zwinkernd. Theater- und Tanzveranstaltungen im damaligen Dorfkrug, improvisiert aus den eigenen Reihen, lieferten den Grundstock für das
ein oder andere, mehr oder weniger verdiente Glas Bier im Haus Radmacher nach einem harten Lokalderby in Lank-Latum.
Fußballplatz in Eigenleistung
Große Erfolge konnte man damals nicht verzeichnen, doch die Einigkeit zwischen den elf Spielern und dem Trainer war das Geheimrezept der eingeschworenen „Bauern“-Mannschaft aus Nierst. So konnte
auch der erste eigene Fußballplatz im Dorf in harter Eigenleistung aus dem boden gestampft werden, auch wenn man bei der Materialbeschaffung gelegentlich improvisieren musste.
Heute wendet sich der Altstar Heinrich Brockerhoff lieber seinen anderen Hobbys zu. Ein kleines Jagdrevier (den Jagdschein absolvierte er erfolgreich im 60. Lebensjahr), ein großer Gemüsegarten
(„Die besten Strauchbohnen im Dorf...“) und die Spiele seiner Lieblingsmannschaft Fortuna Düsseldorf („...leider nicht mehr mit Janes, Bender und Breuer“) bilden ein tagesfüllendes Pensum. Über
das Geschehen beim FC Adler Nierst ist Henn jedoch immer noch voll im Bilde - vielleicht mehr als mancher Aktiver...
aus: Anpfiff Extra - 25 Jahre FC Adler Nierst (Anno 1999)